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Merry Christmas * Frohe Weihnachten


Liebe Freunde!

Dieses Jahr ist alles anders. Für den einen mehr, den anderen weniger. Manche von uns hat es ordentlich durchgeschüttelt, mit Ängsten, Hilflosigkeit und Verzweiflung heimgesucht, andere wiederum fühlen sich so tiefenentspannt wie selten in ihrem Leben. Viele wollen nichts sehnlicher als zurück in ihr altes Leben, manche jedoch haben sich schon auf den Weg gemacht, schauen hinaus auf die unbekannten Flußschnellen und überlegen wie sie ihr neues Floß bauen.


Jetzt aber erst mal Weihnachten. Für mich seit Kindertagen -egal wie das Jahr auch gewesen sein mochte- die schönste Zeit des Jahres. Gestern habe ich auf dem Weg zum Atelier einen Podcast gehört, der mir gefallen hat und den ich Euch einfach mal kommentarlos weiterschicke. Wer mag, hört rein.

Der Artikel dazu:

Direkt zum Podcast (33min):


Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, das wissen wir. Weihnachten und Kindheit ist auch das Label vieler kleiner und größerer Traumata. Ich hatte zwei, die alle Jahre wieder viel Sprengstoff im Gespäck hatten: Die väterliche Verwandtschaft und das väterliche Stimmungsbarometer. Erstere war verlässlich ätzend, letzteres eine ausgelegte Tellermine; sie konnte explodieren, die Wohnung gefühlt in einen möblierten Bombentrichter verwandeln oder eben auch nicht. Am ersten Feiertag war traditionell Doomsday. Mein Vater musste die 60 km entfernt lebende Verwandtschaft vormittags mit seinem Auto abholen und abends wieder zurückbringen. Über das Jahr war die Entfernung zu klein, für Weihnachten aber deutlich zu groß. Mit der schrecklichen Dreieinigkeit von Onkel, Tante und Cousine entfaltete sich über den Tag ein dichtes Netz von vernichtenden Lobesbezeugungen, unterschwelligen Gemeinheiten, die sich schließlich unter dem enthemmenden Einfluß von Eierlikör zu offen ausgetragenen Boshaftigkeiten entwickelten. Mein Vater forderte schließlich mit hochrotem Kopf in Hut und Mantel zum abrupten Aufbruch, scheuchte die Brut aus dem Haus und trat das Gaspedal durch. Wenn er beim Zurückkehren die Eingangstür hinter sich so kräftig zuschmetterte, dass die Gläser im Vitrinenschrank klirrten dauerte es nicht mehr lang bis zur Finalexplosion. Jeder von uns hatte über den Tag verteilt seine individualisierte Mischung aus Kränkungen und Beleidigungen verabreicht bekommen. Mein Vater, 364 Tage im Jahr ein höflicher Mensch, brüllte, fluchte und verwünschte, meine Mutter verschwand weinend in Sofapolstern und ich - absolut sicher, nach der Geburt vertauscht worden zu sein - fragte mich, was meine wahre Familie da draußen irgendwo in der Welt wohl gerade täte. Sangen sie Lieder unter dem Weihnachtsbaum und hatten sich alle lieb?


Dass Verwandtschaft Menschen sind, mit denen man nicht nur nichts anfangen kann, sondern mit denen man auch reinweg nichts zu tun haben möchte, ist bis heute meine Erfahrung, ergo auch meine Überzeugung. Das gilt sowohl für die eigene, wie die direkte, angeheiratete Verwandtschaft. Wenn es Ausnahmen gibt, sollten sie erwähnt werden: Unser Cousin Peter steht für sich durch seine unantastbare Integrität und sein reines Herz. Wir lieben ihn sehr und sind dankbar, dass er Teil unseres Lebens ist.


Dankbarkeit ist für mich überhaupt ganz wichtig geworden in diesem Jahr, an diesem Weihnachten. Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem ich mich gesund und lebendig fühle. Meine Sicht auf die Zeit hat sich in den letzten Monaten verändert. Da die Zukunft eine sowohl unsichere wie uneinschätzbare Unbekannte geworden ist, versuche ich ausschließlich im Jetzt leben. Die kleinste Einheit ist ein Tag, und ich lebe ihn wie er kommt. Im Bewußtsein, dass alles Gute, was es in meinem Leben gibt ein Geschenk ist und keine Selbstständlichkeit. Wenn, wie es Hausmeister Ronny im Podcast so treffend beschreibt, das permanente SichAngetriebenFühlen, das hektische Hintergrundrauschen einfach mal verschwindet, entdeckt man erst wie unnütz das meiste ist, mit dem man sich sonst so abgibt. Das vermeintlich Wichtige, das vermeintliche Müssen. Das ist alles übernommene Verhaltenskonvention und im Grunde völlig überflüssig. Irgendwie war man auch immer auf der Jagd nach Zeit. Ohne sie je wirklich einzuholen, überdies war sie immer knapp. Heute bekommt man sie und darf sie nutzen wie man will, ganz ohne schlechtes Gewissen. Jeder von uns geht mit den Veränderungen in dieser Zeit anders um, denn jedes Leben ist verschieden. Was der eine begrüßt, ist für den anderen noch lange keine Option. Und so landet jeder von uns wieder bei den Ursprungsfragen: "Woher komme ich" und "Wohin gehe ich". Zur Dreieinigkeit sollte man noch hinzufügen: "Was will ich?"


Ich wünsche Euch von Herzen eine frohe und gesegnete Weihnacht.

Bleibt gesund.


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